Ein Blick in meinen Kühlschrank hat mich sehr nachdenklich gemacht.
Meine Freundin hat drei Monate mit mir zusammengelebt, sie stammt aus einem sog. Drittstaat, erhält deswegen nur ein dreimonatiges Visum, muss dann jedesmal wieder ausreisen. Wir waren für ein Vierteljahr wie ein normales Paar, haben Tisch und Bett geteilt. Sie lernte im Onlinekurs Deutsch, ich bin normal meiner Arbeit nachgegangen. Nun jedenfalls ist sie abgereist, kommt voraussichtlich in drei Monaten wieder.
Die gesamte Zeit war sie die uneingeschränkte Herrin des Kühlschranks, der ganzen Küche. Überall stehen die Dinge genauso, wie sie diese hinterlassen hat, das Gemüse hat noch sie eingekauft, die Anordnung aller Gegenstände ist nach ihrem System.
Nun, ich weiß, dass sie bald wiederkommen wird, das macht die Sache soweit unbeschwert (von der staatlich angeordneten Geldvernichtung einmal abgesehen). Als ich den Kühlschrank gestern aufmachte, da dachte ich plötzlich an all die Menschen, deren Partner ebenfalls den Kühlschrank eingeräumt hat, der dann das Haus verließ, der aber niemals wieder in dieses Haus kommen wird.
All diejenigen, die einen geliebten Menschen verloren haben, jetzt in Trauer sind, die durch ihr Zuhause gehen und ständig an den Verlust erinnert werden, daran musste ich plötzlich denken.
Und nicht nur durch den Tod werden täglich Millionen getrennt, nein, auch durch das Leben, Liebende werden getrennt, Familien zerrissen, Freundschaften abrupt beendet, das Leben spielt manchmal seine bizarren Kapriolen.
Buddha mahnte uns explizit, dass das Zusammenleben mit Menschen, die wir eben nicht mögen, leidvoll sein wird, genau so wie das Getrenntsein von unseren Liebsten, der Blick in den Kühlschrank steht hier nur als ein Beispiel. Wahrscheinlich weiß jetzt jeder Leser was ich meine, kann sich an die eine oder andere leidvolle Erfahrung erinnern, „fühlt“ das Gefühl jetzt nochmals nach, spürt wieder, wie sich der Magen zusammenzieht.
In einer Million Häusern wird morgen ein Mensch nicht mehr aufwachen, nicht mehr nach Hause kommen, der Platz am Tisch wird leer bleiben, die Person wird fehlen, eine Lücke hinterlassen. Und die Welt wird sich weiterdrehen, fast niemandem wird das Fehlen dieses Menschen auffallen. Aber jeden Tag öffnet jemand den Kühlschrank, den ein anderer gefüllt hat. So wie ich, der die Speisen seiner Freundin vor sich sieht. Es überkam mich Melancholie, ich dachte daran, dass eines Tages der Moment kommt, wenn ich von meiner Freundin für immer Abschied nehmen muss (oder sie von mir). Buddha hatte absolut recht, das Leben bringt Leiden.
Der Weg ist das Ziel!
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Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts, und er verwirft auch nichts
– Buddha – Ehrenname des Siddharta Gautama – 560 bis 480 vor dem Jahr Null
Ich habe mich so an Melancholie gewöhnt, dass ich es wie ein alter Freund grüße
– Charles Bukowski – US-amerikanischer Dichter und Schriftsteller – 1920 bis 1994
Heiterkeit kann kein Übermaß haben, sondern ist immer gut; Melancholie dagegen ist immer schlecht
– Baruch Spinoza – Niederländischer Philosoph des Rationalismus – 1632 bis 1677
Melancholie ist wie Traurigkeit ein Gefühl, das Unreinheiten verursacht. Freude scheint mir das Geschenk zu sein, wo wir sind
– Antonio Gala –
Ich war jung und in Torheit versunken, ich verliebte mich in Melancholie
– Edgar Allan Poe – US-amerikanischer Schriftsteller – 1809 bis 1849
Hat denn der Tag kein Ende?
– Robert Burton – US-amerikanischer Schauspieler 1895 bis 1962
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