Die Botschaft des Buddhismus, die auch hierher die Erleuchtung bringen soll, ist geprägt von Weisheit und Erkenntnis.
Der Weisheit vom rechten Weg. Ich möchte versuchen, so kurz und verständlich wie möglich, zumindest einen Teil der wesentlichen Inhalte der Lehre Buddhas, des Dharma, hier wiederzugeben.
Jeder, oder doch die meisten von uns, haben schon viel von buddhistischen Auffassungen gehört, und einige davon sind in unseren Sprachgebrauch eingegangen, etwa Begriffe wie „Karma“ oder „Nirvana“. Doch was verbirgt sich dahinter? Nun kann hier ausführlich nicht auf alles eingegangen werden und bei einigen Begriffen möchte ich es auch gar nicht tun. Wollte ich das „Nirvana“ erklären, so wäre es, als wollte ich als Blinder die Farbenlehre beschreiben.
Ziel des Buddhismus ist die Befreiung von Leid durch Erkenntnis. Mitgefühl und Menschlichkeit sind Eigenschaften, die uns aus dem Kreislauf der ewigen Wiedergeburten entlasten, und dies nur mit Hilfe des eigenen Willens und Verstandes.
Als vor ca. 2500 Jahren Siddhartha Gautama, der historische Buddha (was so viel heißt, wie der „Erleuchtete“), unter einem Bodhi-Baum die „Erleuchtung“ fand, und sich dadurch von aller Unwissenheit befreite, zeigte er anschließend allen Menschen den Weg zu höchstem und dauerhaftem Glück. Wir beginnen dabei am besten mit den „Kennzeichen des Seins“:
„Anicca“: Alles ist vergänglich!
Dies ist eine unbestrittene Tatsache, berechnen uns doch die Wissenschaftler schon das Ende dieses Planeten und des Sonnensystems, wenn auch erst in Millionen oder Milliarden von Jahren.
„Dukkha“: Leben ist Leiden!
„Anatta“: Die Lehre von der „Ichlosigkeit“, des „Nicht-selbst“.
Aus den „Kennzeichen des Seins“ leiten sich die „vier edlen Wahrheiten“ ab:
1. Die Wahrheit vom Leiden
Womit wir wieder bei dem Punkt wären, Leben ist Leiden. Dies ist eine unbestrittene, wenn auch gerne verdrängte Tatsache. Aber nur, weil wir das Unbequeme nicht wahrhaben wollen, ist es dennoch wahr. Das unausweichliche Schicksal, das uns begegnet, ist Geburt, Krankheit, Alter und Tod. Das Entfernt-Sein von den Menschen und Dingen, die wir lieben. Das Zusammensein mit solchen, die uns zuwider sind, und das Verlangen nach Unerreichbarem. Die Empfindungen sind unterschiedlich, leidvoll oder nicht. Aber dennoch ist es unbestreitbar, dass es ein Leben ohne diese Dinge nicht gibt. Also kann man mit Fug und Recht behaupten, Leben ist Leiden! Nun ist es nicht so, dass es nichts gäbe, was uns glücklich macht oder uns Freude bereitet, nur ist es nicht von Bestand, und wahres Glück setzt Beständigkeit voraus. So sehr wir uns auch an etwas erfreuen, so können wir es doch nicht halten, auch wenn wir es noch so sehr versuchen. Es endet. Und da wir in letzter Konsequenz nichts halten können, leiden wir.
2. Die Wahrheit von der Ursache des Leidens
Hören wir also die erste Wahrheit, drängt sich die Frage auf, was die letzte Ursache des Leidens ist, der Grund für das Leiden? Nun, die Ursache des Leidens liegt in uns selbst, in unserem Bestreben, unserer Gier, unserem Wollen und unserem Egoismus. Der Tatsache, dass wir ständig danach streben Dinge zu erreichen, die für uns doch unerreichbar sind. Erreichen wir unsere Ziele, so geschieht dies nicht selten um den Preis, anderen Leid zuzufügen, weil wir sie am Erreichen Ihrer Ziele hindern mussten.
3. Die Wahrheit von der Überwindung des Leidens
Die Antwort des Buddhas ist klar: ja, wir können das Leiden überwinden, und zwar durch die Überwindung unserer Gier, unseres Begehrens und unseres falschen Strebens, durch das Loslassen, durch das Freiwerden von Wünschen und Abscheu.
Es sind sicherlich nicht alle Wünsche zu verurteilen, aber man sollte stets selbstkritisch prüfen, woher diese Wünsche kommen und was man damit erreichen möchte.
Tut man Gutes um seiner selbst willen, ohne einen Zweck zu verfolgen? Oder tut man es für die eigenen Verdienste, zur Stärkung des eigenen Ichs? Wenn dann letztlich die Unwissenheit über die wahre Wirklichkeit beseitigt ist, wird damit auch die Illusion des Ichs beseitigt.
4. Die Wahrheit vom Weg zur Überwindung des Leidens
Als Nächstes stellt sich die Frage, wie überwindet man dieses Leid, wie erreicht man das Ziel, von dem vorher die Rede war? Nun, der Weg zur Überwindung des Leidens ist der „Edle achtfache Pfad“ des Buddha, auch genannt der „mittlere Weg“:
Der „edle achtfache Pfad“ des Buddha besteht aus:
Rechte Erkenntnis
Bedeutet: Nächstenliebe praktizieren, Egoismen, Hass und Gewalt aufgeben, entsagen und loslassen.
Rechte Gesinnung (oder auch rechter Entschluss)
Bedeutet: Das Wesen der Dinge so zu erfassen, wie sie wirklich sind.
Rechtes Reden
Bedeutet: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort die Wahrheit sagen, ansonsten schweigen. Man hält sich frei von Lüge, Verleumdung und Doppelzüngigkeit.
Rechtes Handeln (oder Verhalten)
Bedeutet: Ein friedliches, gewaltfreies Verhalten.
Rechter Lebensunterhalt
Bedeutet: Sich eine Arbeit zu suchen, mit der man anderen keinen Schaden zufügt.
Rechtes Bemühen (oder rechte Anstrengung)
Bedeutet: Unheilsame Gedanken von Anfang an vermeiden, sofern sie schon da sind, loslassen, nicht festhalten, also sie überwinden. Heilsame Gedanken aufkommen lassen und erfassen, sie entwickeln und entfalten.
Rechte Achtsamkeit
Bedeutet: Achtsam zu sein auf den Körper, auf die Empfindungen und Gefühle, auf Geisteszustände, auf die eigene Gemütsverfassung, auf Ideen und auf die wahre Natur der Dinge.
Rechte Meditation
Bedeutet: Konzentration und Sammlung führt zum Bewusstwerden und zu einer tiefen Gelassenheit, zu Frieden und Andacht.
Diese acht Regeln lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
1. Die Regeln zu Erlangung der Weisheit: also rechte Erkenntnis und rechte Gesinnung.
2. Die Regeln zur Erringung der Sittlichkeit: also rechtes Reden, rechtes Handeln und rechter Lebensunterhalt.
3. Die Regeln zur Vollendung der Geistesschulung: Rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit und rechte Meditation. Um noch einmal auf den Punkt des rechten Handelns zurückzukommen, da sich hier sehr deutlich die klare Umsetzung nach außen zeigt:
Rechtes Handeln bedeutet für Laien wenigstens:
Nicht töten
Nicht stehlen
Nicht lügen
Nicht ehebrechen und keine sexuellen Ausschweifungen
Keine berauschenden Mittel zu sich nehmen, welche die Sinne benebeln
Hält man sich an diese Regeln, sammelt man unter anderem damit positives Karma an.
Im Buddhismus wird davon ausgegangen, dass alles in Abhängigkeit voneinander entsteht. So auch unsere Wiedergeburt. Diese folgt dem Gesetz des Karma (was „Handlung“ oder „Wirken“ bedeutet). Diesem kosmischen Gesetz, oder dieser übergreifenden Gerechtigkeit, kann man nicht entfliehen. Wie wir wieder geboren werden, bestimmen wir selbst durch unsere Taten. Durch schlechtes und falsches Verhalten sammeln wir negatives Karma, welches wir abarbeiten müssen, durch gutes und richtiges Verhalten sammeln wir positives Karma, welches uns zur Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten verhelfen kann.
Buddhismus lehrt uns also Selbstverantwortung, er zeigt uns, dass wir für das was wir tun und was wir nicht tun, ganz allein verantwortlich zeichnen, und wir keinem anderen daran die Schuld geben können; dass wir die Dinge durch eigene Kraft und Anstrengung erreichen müssen.
Buddha zeigt uns einen Weg, doch gehen müssen wir ihn selbst. Damit kann der Buddhismus Werte vermitteln, die sonst kaum mehr zu finden sind, und mit seiner Botschaft Menschen erreichen, die sonst für viele Botschaften schon taub geworden sind. Er hilft damit heilen, woran unsere Gesellschaft krankt. Und damit sind wir bei den Shaolin Mönchen gelandet, denn Shaolin erlaubt es, die Lehre Buddhas praktisch umzusetzen.
Durch die Vereinigung von Chan (bzw. Zen)-Buddhismus und den Kampfkünsten wird hier künftig eine Jahrtausende alte Philosophie und Wahrheit auf eine Art und Weise gelehrt, die es ermöglicht, auch Menschen, die sich sonst nur sehr schwer oder gar nicht für solche Botschaften die Augen öffnen lassen, zu erreichen. Dabei kommt dem Shaolin Tempel eine besondere Verantwortung zu, da der Zen-Buddhismus von Boddhidharma, dem 28. Patriarchen des Buddhismus (und dem 1. Patriarchen des Zen), im Shaolin Tempel begründet wurde.
Der Chan-Buddhismus hat also dort nicht nur seine Wurzeln, er fand vom Shaolin Kloster aus auch seine Verbreitung in der ganzen restlichen Welt. Nirgendwo sonst dürfte man dieser Richtung des Buddhismus so rein begegnen, wie im Shaolin Tempel. Zen bzw. Chan bedeutet Versenkung, also rechte Meditation. Dafür ist der Zen-Buddhismus auch in Europa vor allem bekannt.
Der buddhistische Zen, der die Kampfkünste beeinflusst, zeigt, wie wahrscheinlich keine andere Philosophie in seinen Inhalten, den wahren Geist des Buddhismus. Bedenkt man seine Herkunft, ist dies nicht verwunderlich. Es ist die Tradition, in welcher der Shaolin Tempel steht; und die er in bester Form vermittelt. Diese Vermittlung hoher Werte und Ideale macht Shaolin aus. Zum Abschluss sei mir noch erlaubt zu erwähnen, dass Shaolin nun mehr als 1500 Jahre Geschichte hinter sich hat. Dank der Initiative seines Abtes, des ehrwürdigen Großmeisters Shi Yong Xin, des Einsatzes der Mönche, wird diese Tradition noch weitere Jahrhunderte, nicht nur in China, sondern überall auf der Welt, bestehen. Dies ist sicher auch ein lebendiger Beitrag zur Völkerverständigung.
Getreu dem Vers Buddhas:
„Meiden aller Übeltat, Erzeugung alles Guten, Sinnes Reinigung.“
Das ist des Buddhas stetes Trachten
Rede des Shi Heng Zong (heute Abt des Shaolin Tempels-Kaiserslautern) zur Eröffnung des Shaolin Tempels Deutschland in Berlin (im Jahr 2001)
Ein Gastbeitrag von