Samstag, Juli 27, 2024
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Der neue Abt

Es geht die Geschichte aus China über einen Wandermönch, der allen Wünsche und jedem Wollen abgeschworen hatte.

Auf seinen Wegen lernte er einen weisen buddhistischen Lehrer kennen, mit dem er interessante Gespräche führte, und für geraume Zeit gemeinsam weiter ging. Die Männer freundeten sich an und verbrachten mehrere Tage miteinander.

Als der Abschied bevor stand fragte der Lehrer den Mönch, wohin ihn die weitere Reise bringen wird. Der antwortete ihm, dass er seine Füße die Richtung wählen lassen wird, er immer dorthin gehe, wo es ihn „hinzieht“. Aber für heute wolle er dem Fluss entlang gehen, um dann dort die berühmten Berge am Horizont zu bewundern und zu erkunden.

Der Weise schlug ihm vor, das Kloster am Fluss zu besuchen, da der Abt ein Freund von ihm sei, er sich dort eine Weile aufhalten könne, einen heimeligen Aufenthalt finden würde. Auch würde er ihm gerne ein Empfehlungsschreiben für das Kloster geben, sodass der Abt ihn willkommen heißen wird.

Der Wandermönch fand die Idee sehr gut, das Kloster lag auf der Route zum Gebirge, das Wetter war unbeständig, ein Unterschlupf auf dem Weg war ein beruhigender Gedanke.

Mit dem Empfehlungsschreiben in seiner Mönchstasche verabschiedeten sich die beiden Männer, jeder ging seines Weges. Der des Mönches führte ihn am zauberhaften Fluss entlang, das Wetter war doch schön, es schien die Sonne, er erfreute sich der Natur und der Menschen, die ihm begegneten.

Nach einigen Tagen kam er am Kloster an, er war sofort von der Würde des Ortes eingenommen. Was ein wundervoller Ort, hier wollte er bleiben, sofort hatte er ein Gefühl der Geborgenheit, das sich in ihm ausbreitete.

Er sprach im Klosterbüro vor, zeigte dort seinen Mönchsausweis, und ließ sich ein Bett zuweisen. Das Empfehlungsschreiben zeigte er jedoch nicht beim Abt vor, er wollte sich nicht hervortun.

Er bezog sein Quartier, ließ sich seine Aufgaben zuweisen, fing an ein Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Aus Tagen wurden Wochen, dann Monate, schließlich lebte er schon fünf Jahre im Kloster. Er liebte das Gebäude, das traumhaft am Fluss lag, von Bäumen und Landwirtschaft umgeben war.

Nach all den Jahren kam der buddhistische Lehrer wieder in die Gegend, sein Weg führte ihn zum Kloster, wo er seinen Freund den Abt besuchte. Im Gespräch fragte er auch nach dem Wandermönch, dem er damals ein Empfehlungsschreiben gab. Der Abt blickte ihn verwundert an, nein, der Mönch sei nicht bei ihm gewesen. Verwundert beschloss der buddhistische Lehrer, nach dem Mönch im Kloster zu suchen. Im Speisesaal am Abend wurde er fündig, der Wandermönch sass still und in absolutem Schweigen bei Tisch. Der Lehrer setzte sich zum Mönch, der ihm zu verstehen gab während der Mahlzeit Ruhe zu halten.

Nachdem die Männer den Saal verlassen hatten fragte der Gelehrte den  Mönch, warum er sich nicht beim Abt vorgestellt habe. Dieser antwortete ihm, dass er für den Ratschlag, in dieses Kloster zu gehen, sehr dankbar sei, aber sich keinesfalls hervortun wolle, daher er das Schreiben nicht verwendet habe. Zum Beweis griff er in seine Mönchstasche, und kramte das ungeöffnete Empfehlungsschreiben hervor, das völlig abgegriffen und fleckig war.

Der buddhistische Lehrer ward ob der Bescheidenheit des Mönchs sehr ergriffen, nahm  in bei der Hand und ging mit ihm zum Abt, wo er ihn diesem dann doch vorstellte.

Als Jahre später der Abt verstarb wählten die Mönche den Bescheidensten unter ihnen zum neuen Vorsteher.

 

Schwer ergründlich, groß in Künsten schwelgt der Geist in den Gedanken. Glück gehört allein dem Weisen, der ihn achtsam hält in Schranken

Buddha – Ehrenname des indischen Philosophiestifters Siddhartha Gautama – 560 bis 480 vor dem Jahr Null

Tiefe schafft Bescheidenheit

Joseph Victor von Scheffel – Deutscher Schriftsteller und Dichter – 1826 bis 1886

Unbefangenheit, Geradheit, Bescheidenheit sind auch göttliche Tugenden

Marie von Ebner-Eschenbach – Österreichische Schriftstellerin – 1830 bis 1916

Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet

David Hume – Schottischer Philosoph – 1711 bis 1776

Es gibt eine Bescheidenheit, die nur der Mantel des Hochmuts ist

Carmen Sylva – Königin von Rumänien und Schriftstellerin – 1843 bis 1916

Zuviel Bescheidenheit ist halber Stolz

Jüdisches Sprichwort

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