Nachdem Buddha seine Lehre entwickelte, reiste er über die Lande, um die Philosophie möglichst vielen Menschen näher zu bringen.
Dabei war er den unzähligen Wandermönchen, die zu seiner Zeit predigend umherzogen, nicht unähnlich, ohne Besitz oder Anhaftungen hatte er auch kein Zuhause.
Die Regenzeit allerdings (wer schon einmal die Kraft des Monsuns erlebt hat, der weiß, wovon ich rede) verbrachte er in einer Tempelanlage, die ihm Schutz und ein Auskommen während den Überschwemmungen bot. Die Straßen waren kaum passierbar, es regnete manchmal tagelang.
Dem Patron der Anlage, ein Kaufmann der Umgebung, war es eine Ehre, Buddha und seine Anhänger aufzunehmen.
Wie in Tempeln üblich, versorgte die Gemeinschaft der Dörfer den Tempel. Jeden Morgen kamen die Bewohner, um die Mönche und Schüler des Klosters zu versorgen.
Nach dem gemeinsamen Gebet wurden die Gaben verzehrt, dabei kamen die Bauern nahe an den Buddha, konnten ihm Fragen stellen und mit ihm reden. Es entwickelte sich häufig eine Vorlesung daraus, bei der der Buddha viele Anhänger für seine Weltanschauung gewinnen konnte.
Buddha hielt so viele Vorträge, von denen einige bis heute überliefert wurden. Er sprach über Geburt, Krankheit, Alter und Tod, über die Ursachen des Leidens, er führte aus, dass der Tod unvermeidbar ist, Krankheiten die Menschen treffen, wir die Folgen des Karmas annehmen müssen.
Einer der anderen Mönche dachte bei sich, dass, wenn die Folgen des „Mensch-seins“ sowieso alle treffen würden, er seine Anstrengungen verstärken könnte, auf seine Gesundheit keine Rücksicht nehmen müsse. So wurde er durch seine übermäßigen Bemühungen mit der Zeit blind.
Die anderen Mönche des Tempels waren betroffen vom Schicksal des Bruders, versorgten ihn mit Achtsamkeit und Bedacht, versuchten, sein Schicksal zu verbessern.
Eines schönen Abends verdunkelte sich der Himmel, ein schwerer Sturm zog auf, es fing an stark zu regnen, viele Insekten kamen aus ihrem Versteck und setzten sich vor der Hütte des blinden Mönchs auf den trockenen Boden.
Als der Blinde des Nachts in seiner gehenden Meditation vor der Hütte auf und ab ging, zertrampelte er viele Insekten, ohne es überhaupt zu bemerken.
Als die Mönchsbrüder am nächsten Tag kamen, um ihm Essen zu bringen, sahen sie die große Anzahl toter Insekten. Es war leicht zu bemerken, dass diese totgetreten wurden, es war klar, dass es der blinde Mönch gewesen sein mußte. Ihr Bruder hatte getötet, sie waren sehr verwundert, warum nur hatte er das getan? Warum hatte er gegen die Regeln der Gemeinschaft verstoßen?
Die Mönche gingen zu Buddha und legten den Sachverhalt dar. Ein Mönch, der absichtlich getötet hat, der muss den Tempel verlassen, so will es das Gesetz.
Buddha fragte: „hat jemand gesehen, was wirklich passiert ist?“
„Nein, du Erhabener„, so antworteten die Brüder.
„Ihr wisst, dass der blinde Bruder die Insekten nicht sehen konnte“, so antwortete Buddha.
„Dann hat der blinde Bruder nicht absichtlich getötet, er ist frei von den Folgen seiner Tat, er hat nicht absichtlich getötet„.
„Nur absichtliche Taten fliessen in unser Karma ein, das ist ohne Zweifel, wer nicht ein Ziel herbeiführen will, der muss die Folgen nicht fürchten“.
„Kümmert euch besser um den blinden Bruder, das ist mein Rat„.
Blinder als blind ist der Ängstliche
– Max Frisch – Schweizer Schriftsteller – 1911 – bis 1991
Die Sonne ist nicht verschwunden, weil die Blinden sie nicht sehen
– Birgitta von Schweden – Gründerin des Erlöserordens – 1303 bis 1373
Der Mensch ist ein Blinder, der vom Sehen träumt
– Friedrich Hebbel – Deutscher Dramatiker und Lyriker – 1813 bis 1863
Wie soll ich einem Blinden erklären, was Farbe ist
– Jürgen Klopp – Deutscher Fußballtrainer – geboren 1967